Genossenschaftsbank: Isolierte Kündigung der Kontoverbindung eines Mitglieds

Genossenschaftsbank: Isolierte Kündigung der Kontoverbindung eines Mitglieds

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Juni 2020 (Az. 20 U 45/19) befasst sich mit grundlegenden Fragestellungen des Genossenschaftsrechts sowie der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Bankwesen. Der Fall ermöglicht eine detaillierte Analyse der Rechte von Genossenschaftsmitgliedern und der Grenzen, die Banken bei der Kündigung von Bankverbindungen beachten müssen. Der folgende Artikel untersucht die zentralen Aspekte des Urteils, die relevanten Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie die spezifischen Regelungen der Genossenschaft.

 

Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Verfügungskläger, ein langjähriges Mitglied der Volksbank B. eG, stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um während seiner Mitgliedschaft weiterhin Zugang zu den vertraglich vereinbarten Bankdienstleistungen zu erhalten. Der Hintergrund des Rechtsstreits war die Kündigung sämtlicher Bankverbindungen durch die Volksbank B. eG, die infolge eines Konflikts über eine Fusion mit der A.-Volksbank eG ausgesprochen wurde. Diese Kündigung wurde unter Berufung auf die ordentliche Kündigungsmöglichkeit gemäß § 675h Abs. 2 BGB sowie die entsprechenden AGB der Bank begründet.

Das Landgericht Hildesheim wies den Antrag des Verfügungsklägers zurück, da es die Kündigung als wirksam erachtete. Daraufhin legte der Kläger Berufung ein.

  • LG Hildesheim 19.11.2019 - AZ: 6 O 252/19

 

Die Entscheidung des OLG Celle

Das OLG Celle hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte fest, dass die Kündigung der Bankverbindung nicht rechtswirksam war. Die zentralen Argumente des Gerichts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

1. Mitgliedschaftsrechte und Gleichbehandlungsgebot

Das Gericht stellte klar, dass die Genossenschaftsbank während der Dauer der Mitgliedschaft nicht ohne Weiteres die Bankverbindungen zu einem ihrer Mitglieder kündigen kann, sofern dieses Mitglied einen satzungsgemäßen Anspruch auf die Einrichtung eines Kontos hat. Hierbei berief sich das Gericht auf § 11 Satz 1 der Satzung der Verfügungsbeklagten, der das Gleichbehandlungsgebot der Mitglieder festlegt. Dieses Gebot besagt, dass alle Mitglieder in ihren Rechten gleichbehandelt werden müssen, sowohl in Bezug auf die Mitgliedschaft als auch auf die schuldrechtlichen Beziehungen.

Das OLG Celle argumentierte, dass die ordentliche Kündigung der Bankverbindung gegen das genossenschaftliche Treuegebot und die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße. Die Kündigung würde dem Verfügungskläger faktisch die wesentlichen Rechte seiner Mitgliedschaft entziehen.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Genossenschaftsbank, als Institution, die auf Solidarität und dem gemeinsamen Interesse ihrer Mitglieder basiert, in der Pflicht steht, die Interessen jedes einzelnen Mitglieds zu wahren. Ein derartiger Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte könnte das Vertrauen in die genossenschaftliche Struktur untergraben und die Prinzipien der Zusammenarbeit sowie gegenseitigen Unterstützung gefährden.

 

2. AGB-Kontrolle und Kündigungsrecht

Das Gericht prüfte zudem die Anwendung der AGB der Volksbank in Verbindung mit den relevanten Vorschriften des BGB (§§ 305 ff. BGB). Insbesondere wurden § 675h Abs. 2 BGB und § 19 Abs. 1 der AGB herangezogen, die die Kündigung von Zahlungsdiensterahmenverträgen regeln. Das OLG stellte fest, dass die Verfügungsbeklagte sich nicht auf das Kündigungsrecht berufen konnte, da die Voraussetzungen für eine solche Kündigung nicht erfüllt waren.

Diese Entscheidung bekräftigt die Notwendigkeit, dass Banken bei der Kündigung von Bankverbindungen die spezifischen Rechte ihrer Mitglieder im Rahmen des Genossenschaftsrechts respektieren müssen. Das Gericht wies darauf hin, dass die Kündigung nicht nur die Bankverbindung, sondern auch die Mitgliedschaft des Klägers in der Genossenschaft gefährdet hätte, was gegen die satzungsgemäßen Bestimmungen verstoßen würde.

 

3. Schikaneverbot und Treu und Glauben

Ein weiterer zentraler Punkt der Entscheidung war das Schikaneverbot gemäß § 226 BGB. Das OLG Celle stellte fest, dass die Kündigung der Bankverbindung offensichtlich in der Absicht erfolgte, dem Verfügungskläger zu schaden, was die Kündigung als rechtsmissbräuchlich erscheinen ließ. Die Verfügungsbeklagte hätte damit gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, was die Wirksamkeit der Kündigung zusätzlich infrage stellte.

Das Schikaneverbot ist ein fundamentales Prinzip im deutschen Zivilrecht, das verhindern soll, dass jemand seine Rechte ausübt, um einem anderen zu schaden, ohne dass ein legitimes Interesse daran besteht. In diesem Fall sah das OLG Celle die Kündigung als eine Maßnahme, die nicht im Einklang mit den genossenschaftlichen Werten stand und die Integrität der Mitgliedschaft in Frage stellte.

 

Relevante Normen und deren Bedeutung

Im Rahmen der Entscheidung wurden mehrere Normen des BGB und des Genossenschaftsgesetzes zitiert, die für die AGB-Kontrolle von Banken von zentraler Bedeutung sind:

  1. § 242 BGB: Diese Norm verpflichtet die Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils und bildet die Grundlage für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben.
  2. § 675h Abs. 2 BGB: Diese Vorschrift regelt die Kündigung von Zahlungsdiensterahmenverträgen und legt fest, unter welchen Bedingungen eine solche Kündigung wirksam ist.
  3. GenG § 6 Nr. 2: Diese Norm definiert die Pflichten der Genossenschaft gegenüber ihren Mitgliedern und unterstreicht die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder.
  4. § 11 der Satzung der Verfügungsbeklagten: Diese Regelung konkretisiert das Gleichbehandlungsgebot innerhalb der Genossenschaft und stellt sicher, dass alle Mitglieder gleiche Rechte und Pflichten haben.

 

Fazit

Der Beschluss des OLG Celle verdeutlicht die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen, die bei der Kündigung von Bankverbindungen durch Genossenschaftsbanken zu beachten sind. Die Entscheidung hebt hervor, dass Banken die Rechte ihrer Mitglieder nicht nur im Rahmen der AGB, sondern auch unter Berücksichtigung des Genossenschaftsrechts und der grundlegenden Prinzipien von Treu und Glauben respektieren müssen.

Diese Entscheidung könnte weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der Banken haben, insbesondere hinsichtlich der Transparenz und Fairness in der Behandlung ihrer Mitglieder. Es wird deutlich, dass Genossenschaftsbanken eine besondere Verantwortung tragen, die Interessen ihrer Mitglieder zu wahren und sicherzustellen, dass Kündigungen nicht willkürlich oder schikanös erfolgen.

Insgesamt stellt dieser Fall einen bedeutenden Beitrag zur Rechtsprechung dar und könnte als wegweisendes Beispiel für zukünftige Streitigkeiten zwischen Genossenschaftsbanken und ihren Mitgliedern dienen.

 

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