Anlegeberater muss Kunden trotz abgelehnter Prospektlektüre aufklären sonst droht Schadenersatz

Anlegeberater muss Kunden trotz abgelehnter Prospektlektüre aufklären sonst droht Schadenersatz

Wer sich entschlossen hat, sein Geld in eine bestimmte Kapitalanlage zu investieren, der möchte möglichst schnell und unaufwendig zum Abschluss kommen. Ein dicker Verkaufsprospekt wird von den meisten dann als Zumutung empfunden, weil man sich nicht durch eine Lektüre „quälen“ will, die man schwer versteht, der Kaufentschluss eigentlich schon feststeht und außerdem dem Berater vertraut, der die Anlage vermittelt. Und so kommt es vor, dass Kunden diesen „Papierkram“ ablehnen. Dass in einem solchen Fall der Anlageberater seine Kunden trotzdem über die wesentlichen Risiken des Investments und ggf. über die Provision aufklären muss, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 7.2.2019 (Az.: III ZR 498/16) festgestellt.

 

Der Fall

Ein Anlageberater der Postbank vermittelte seinem Kunden verschiedene Schiffsfonds für mehrere Zehntausend Euro. Er beriet ihn dabei in Form einer Kurzinformation. Die Emissionsprospekte, die sein Kunde als „Papierkram“ bezeichnete, wollte dieser nicht haben. Sie erschienen ihm als „zu dick und schwer“.  Die Fonds entwickelten sich dann nicht erwartungsgemäß, sodass der Anleger gegenüber dem Berater Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung geltend machte, um sein Geld zurückzuerhalten. Vor allem sei er nicht korrekt über anfallende Provisionen aufgeklärt worden. Der Streit landete schließlich beim BGH. 

 

Die Entscheidung

Der BGH stellte in seiner Entscheidung Folgendes fest:

  1. Lehnt ein Anleger die Entgegennahme eines Emissionsprospekts ab, könne man daraus nicht ohne Weiteres schlussfolgern, dass er an einer Aufklärung über die Risiken des Investments nicht interessiert sei und auf ein persönliches Beratungsgespräch verzichten wolle. 
  2. Durch die Ablehnung eines Emissionsprospekts wird der Anlageberater nicht davon entbunden, den Anleger persönlich über die wesentlichen Risiken des Geschäfts zu informieren oder zumindest darauf aufmerksam zu machen, dass der Prospekt weitere wichtige, über das Gespräch hinausgehende Hinweise enthalten kann. 
    Zur Aufklärung über die anfallenden Provisionen, die der Berater ab 15 % unaufgefordert erwähnen muss, befanden die Richter, dass bei der Ermittlung der Vertriebskosten die Abschläge zu berücksichtigten seien, die dem Anleger auf das Agio gewährt wurden, weil sie dessen individuelle Vertriebskostenquote mindern. Den Sachverhalt bzgl. der Vertriebskosten muss die Vorinstanz noch genauer aufklären, um festzustellen, ob sich der Kunde nicht trotzdem für die Anlage entschieden hätte. 
     

Kommentar

Diese Entscheidung des BGH ist ein Erfolg für den Anlegerschutz.  Keineswegs selbstverständlich warfen die Richter dem „leseunwilligen“ Anleger nicht vor, selber schuld zu sein, sondern nehmen den Berater in die Pflicht. Realitätsnah entscheiden die Richter somit einen Fall, der massenhaft bei der Vermittlung von Kapitalanlagen vorkommt. Denn wie der BGH schon in einer früheren Entscheidung feststellte, sind Prospektangaben notwendig allgemein gehalten und ihre Detailfülle, angereichert mit volks-, betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken, hält manchen Anleger von einer näheren Lektüre ab. 
Mit diesem Urteil hat der BGH die umfangreichen Beratungs- und Aufklärungspflichten eines Anlageberaters weiter konkretisiert. Er kann sich nunmehr nicht durch seinen Kunden entpflichten lassen, ihn insbesondere über die wesentlichen Risiken des Geschäfts als auch ggf. über die Vertriebsprovision zu informieren oder zumindest darauf aufmerksam zu machen, dass der Prospekt weitere wichtige Hinweise für ihn enthält. Seine Pflichten sind erst dann erfüllt, wenn er davon ausgehen darf, dass sein Kunde die notwendige Aufklärung umfassend erhalten und genau verstanden hat.
 

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